Klimatische Anomalien und Hungersnöte sollen die kriegerische Übergangszeit zwischen der Römischen Republik und dem Römischen Reich geprägt haben. Joseph McConnell und Kolleg:innen berichten, dass ein massiver Ausbruch des Okmok in Alaska 43 v.Chr. extreme Klimafolgen hatte - doch das historische Bild ist komplexer, denn Cäsar wurde bereits im Jahr zuvor ermordet.
Mit der Ermordung Cäsars (15. März 44 v.Chr.) begann ein 17-jähriger Bürgerkrieg, der das Ende der Römischen Republik besiegelte und zum Römischen Reich führte. Historische Quellen berichten von klimatischen Anomalien, ungewöhnlichen atmosphärischen Phänomenen und Hungersnöten im Römischen Reich ab 44 v.Chr., aber auch in China (ab 43 v.Chr.). Ein Forscherteam (McConnell et al.) hat das Klima die Rolle von Vulkanausbrüchen zu dieser Zeit analysiert.
Klimarekonstruktionen und -modellierungen
Zunächst einmal zeigen Klimarekonstruktionen, vor allem aus Baumringen in Europa und Sintermineralien in Höhlen (Speläotheme) in China, dass die Jahre 43 und 42 zu den kältesten Jahren der letzten Jahrtausende gehören; selbst in Kalifornien finden sich ungewöhnliche Frostschäden an Grannenkiefern. Andererseits identifizierte die Forschergruppe in sechs Eisbohrkerne aus der Arktis (fünf von Grönland, einer aus der russischen Arktis) Aerosol- und Staubschichten von zwei Vulkanausbrüche in den Jahren 45 und 43, wobei der erste (45) offenbar nur regionale Auswirkungen hatte und sich wohl auf Island befand. Durch chemische Analysen konnte der zweite Ausbruch (43) als der Vulkan Okmok in Alaska identifiziert werden.
Die Identifikation der Vulkane ermöglicht es, ihre Folgen mit Klimamodellen zu simulieren, um sie mit den historischen Quellen und den Klimarekonstruktionen zu vergleichen. Tatsächlich zeigen die Modellrechnungen in Folge des Okmok-Ausbruchs eine deutliche, großräumige Abkühlung auf der Nordhalbkugel in den Jahren 43 und 42, die auch im Detail mit den tatsächlichen Klimarekonstruktionen übereinstimmt. So sanken die Temperaturen insbesondere im Sommer und Herbst in Südeuropa und Nordafrika regional zwischen 0,7°C und 7,4°C. Die Abkühlung dürfte sich bis in die frühen 30er-Jahre fortgesetzt haben, und es kam u.a. weiteren Veränderungen wie der Zunahme der Niederschläge in der Mittelmeerregion und der starken Abnahme der Niederschläge über Asien.
Historische Berichte
Die historischen Berichte gliedern die Forscher:innen in zwei Gruppen. Die erste Gruppe betrifft Beobachtungen um März/April 44 v.Chr. von Verdunkelungen, Halos, Nebensonnen und anderen optischen Phänomenen, die von antiken Autoren oft als Himmelszeichen nach der Ermordung Caesars (15. März 44) aufgefasst wurden. Diese Beobachtungen lagen aber vor den großen, das Klima beeinflussenden Vulkanausbrüchen und lassen sich durch den bekannten Ausbruch des Ätna zu dieser Zeit erklären, dessen Asche sich regional ausbreitete, der jedoch keine weiteren Klimafolgen nach sich zog.
Die zweite Gruppe von historischen Klimabeobachtungen beziehen sich auf ungewöhnlich kaltes Wetter. Einige beschreiben bereits einen sehr kalten Winter 44, wiederum einige Monate von dem Okmok-Ausbruch; es ist jedoch unklar, ob etwa die Schneestürme, mit denen Brutus Ende 44 auf dem Balkan kämpfte, besonders ungewöhnlich waren oder einfach die typischen Probleme einer antiken Armee im Winter demonstrierten. Die Mehrzahl der Berichte beziehen sich dagegen auf die Jahre 43 und 42 und passen sowohl zeitlich als auch in ihrem Ausmaß gut zu den Rekonstruktionen und Modellrechnungen. So berichten eine ganze Reihe von Quellen von Hungersnöten und gesellschaftlichen Unruhen in Norditalien im April 43, in Griechenland im Oktober 42 und in Rom und anderen Teilen Italiens von 43 bis 36 v.Chr. Auch Ägypten war betroffen; so verweigerte Kleopatra dem Römer Gaius Cassius Longinus (dem führenden Verschwörer gegen Caesar) im Jahr 43 die Unterstützung mit der Begründung, dass ihr eigenes Land von Hungersnöten und Krankheiten zerrissen war; Octavian (der Erbe Caesars, der sich später Augustus nannte) und Marcus Antonius konnten im Jahr 42 ebenfalls kein Getreide aus Ägypten erhalten, da dort selbst Hunger herrschte.
Andererseits ist es schwierig, die gesellschaftlichen und politischen Krisen dieser Zeit allein auf das Klima zurückzuführen. Zunächst einmal fand die Ermordung Caesars deutlich von diesen vulkanischen Klimafolgen statt; ein klares Zeichen dafür, dass der politischen Krise auch andere, politische Ursachen zugrunde lagen. Doch auch in den Jahren danach spielten politische Entwicklungen eine Rolle. So blockierte Sextus Pompeius in den Jahren 43 bis 36 die Häfen Italiens und verhinderte Getreideimporte, was zweifellos zu den berichteten Hungersnöten in Rom beitrug. Man kann jedoch auch annehmen, dass Sextus Pompeius opportunistisch die bereits bestehende Notlage durch die Klimakrise ausnutzte und durch die Blockade verstärkte, um seine Ziele durchzusetzen. Auch für das Ende der langen Herrschaft der Ptolemäer in Ägypten ist der Zusammenhang mit dem Klima im Detail schwer zu klären.
Black-Box-Determinismus? Kritik und Antwort
In einem Kommentar kritisieren Sebastian Strunz und Oliver Bräckel die Arbeit jedoch für ihre "oberflächlichen Korrelationen" zwischen klimatischen und gesellschaftlichen Ereignissen. Zunächst weisen Strunz und Bräckel darauf hin, dass die Berichte antiker Autoren keine neutralen Naturbeschreibungen sind, sondern oft in einem religiösen Kontext stehen und Naturphänomene etwa als göttliche Vorzeichen, Begleiterscheinungen oder Nachspiele von einschneidenden politischer Ereignisse galten.
Zweitens wäre eine detailliertere Analyse der sozioökonomischen Mechanismen nötig, um einen "Black-Box-Determinismus" zu überwinden, also die Annahme von Klimaeinflüssen auf die Gesellschaft ohne detaillierte Erklärung. Vor allem muss man Klimafolgen und soziopolitische Faktoren gegeneinander abwägen. So hatte Kleopatra zu Beginn des römischen Bürgerkriegs ein starkes Interesse, keine der Parteien zu unterstützen, um nicht am Ende auf der "falschen" Seite zu stehen; dies erklärt, warum sie (unter dem Vorwand des Hungers) alle Hilfslieferungen verweigerte.
McConnell und Kollegen stimmen in ihrer Replik Strunz und Bräckel grundsätzlich zu, dass man bei antiken Berichten Fakten von Fiktionen unterscheiden müsse, erinnern aber daran, dass sie sich nicht alleine auf Dokumente stützen, sondern die Klimafolgen geophysikalisch rekonstruiert hatten. Dabei passen die antiken Beschreibungen zu den Rekonstruktionen, sodass man durchaus zuverlässige Aussagen ableiten könnte.
Sie stimmen ebenfalls zu, dass eine genaue sozioökonomische Analyse im Prinzip wünschenswert wäre. Doch über diese weit zurückliegenden Ereignsse sind die historischen Quellen zu dünn. Daher warnen McConnell und Kolleg:innen umgekehrt sogar davor, direkte, detaillierte Kausalketten rekonstruieren zu wollen. Aufgrund der Klimarekonstruktionen kann man jedoch auf grundlegende, weitreichende Mechanismen schließen, die nach dem Ausbruch des Okmok gewirkt haben müssen: Die Verwundbarkeit großer, überwiegend agrarischer Gesellschaften gegenüber Klimaextremen und Störungen der Lebensmittelproduktion.
Quellen
- McConnell, Joseph R., Michael Sigl, Gill Plunkett, Andrea Burke, Woon Mi Kim, Christoph C. Raible, Andrew I. Wilson, u. a. „Extreme Climate after Massive Eruption of Alaska’s Okmok Volcano in 43 BCE and Effects on the Late Roman Republic and Ptolemaic Kingdom“. Proceedings of the National Academy of Sciences 117, Nr. 27 (7. Juli 2020): 15443–49. doi: https://doi.org/10.1073/pnas.2002722117.
- Strunz, Sebastian, und Oliver Braeckel. „Did Volcano Eruptions Alter the Trajectories of the Roman Republic and the Ptolemaic Kingdom? Moving beyond Black-Box Determinism“. Proceedings of the National Academy of Sciences 117, Nr. 51 (22. Dezember 2020): 32207–8. https://doi.org/10.1073/pnas.2019022117.
- McConnell, Joseph R., Michael Sigl, Gill Plunkett, Andrew I. Wilson, Joseph G. Manning, Francis Ludlow, und Nathan J. Chellman. „Reply to Strunz and Braeckel: Agricultural Failures Logically Link Historical Events to Extreme Climate Following the 43 BCE Okmok Eruption“. Proceedings of the National Academy of Sciences 117, Nr. 51 (22. Dezember 2020): 32209–10. https://doi.org/10.1073/pnas.2019906117.
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