Auch die Dodos auf Mauritius litten unter der der langjährigen Dürre, die vor 4200 Jahren große Teile der Welt traf. Dieses sogenannte 4,2-Kilojahr Ereignis betraf unter anderem die frühen Hochkulturen des Alten Reichs in Ägypten, das Akkadische Reich in Mesopotamien und die Induszivilisation im Industal, doch Hinweise auf eine lange Trockenzeiten finden sich auch aus anderen Gebiete der Welt, vor allem aus den Tropen. Ein Artikel einer deutsch-niederländischen Arbeitsgruppe [de Boer et al. 2015] hat sich die Folgen für die Tierwelt auf Mauritius angesehen. Auch wenn dieser Artikel sich nicht unmittelbar mit der menschlichen Geschichte beschäftigt, liefert er doch ein weiteres Puzzlestück über das Ausmaß dieses Klimaereignisses.
Die Mare aux Songes ist ein Feuchtgebiet nahe der südöstlichen Küste von Mauritius. Das Gebiet ist eine bekannte Fossillagerstätte, in der sich große Mengen an subfossilen (d.h. geologisch sehr jungen) Überresten aus dem Holozän finden, vor allem von Dodos - den berühmten flugunfähigen Vögel, die geradezu als Symbol für den schädlichen Einfluss des Menschen auf die Natur gelten - und ausgestorbene Riesenschildkröten (Cylindraspis spp.), aber auch einer Vielfalt anderer Tier- und Pflanzenarten. Mit etwa 250 Knochenfragmenten pro Quadratmeter ist der Sumpf extrem fossilreich. Der Entdecker des Fundorts, George Clark, soll einfach einige Männer barfuß in das Wasser geschickt haben, die im Handumdrehen mit den Füßen allerlei Knochen ertasten konnten.
Bemerkenswert ist nun, dass ein Großteil der Fossilien aus dem relativ kurzen Zeitraum vor 4235 bis 4100 Jahren stammt, wie die Radiokarbondatierung zeigt. In weniger als eineinhalb Jahrhunderten kamen also Hunderttausende von Wirbeltieren zu Tode. Erik de Boer und Kollegen [de Boer et al. 2015] haben daher diesen "Dodosumpf" näher untersucht und insbesondere die regionalen Änderungen der Vegetation und die Entwicklung des Feuchtgebiets zwischen etwa 4400 und 4100 vor unserer Zeit rekonstruiert.
Methoden
Die Datengrundlage sind Ausgrabungen in der Mare aux Songes zwischen 2007 und 2010 mit einem Grabungsschnitt, in dem die Fossilien dokumentiert wurden, sowie einem Sedimentbohrkern für Laboranalysen. Der Bohrkern diente als Grundlage für eine Pollenanalyse und Diatomeenanalyse, mit denen sich die Vegetationsverhältnisse rekonstruieren lassen, für eine geochemische Analyse auf 13 metallische Elemente sowie eine fossile Pigmentanalyse, die über die Erhaltungsbedigungen für organisches Material Aufschluss geben. Datiert wurde der Bohrkern durch die Radiokarbonmethode (AMS-14C).
Phasen der Sumpfentwicklung
Die Daten zeigen, wie die Mare aux Songe als See begann und im Laufe von 150 Jahren vesumpfte und durch Algenblüte zudem giftig wurde, sodass Dodos und Schildkröten verdursteten, vergiftet wurden, und sich auf der immer kleineren Fläche auch gegenseitig zertrampelten und ertranken - ein wahrhaft tödlicher Cocktail.
Vor etwa 4500 Jahren ware die Mare aux Songes zunächst ein See mit einer Tiefe von etwa einem Meter. Die Austrocknung geschah in vier deutlich abgrenzbaren Phasen.
In der ersten Phase (4370-4320BP, also vor etwa vor 4440-4390 Jahren) überwiegen Süßwasser-Kieselalgen, es gibt aber auch einige salzresistente Pflanzen. Demnach war das Gebiet ein Süßwassersee, wobei teilweise Meerwasser von der nahen Küste eindrang. Ein solcher See dürfte als Trinkwasserquelle viele Schildkröten und Dodos angezogen haben. Dies zeigt sich auch an Hinweisen auf tierische Exkremente: organisches Material sowie stickstoffresistente Diatomeen.
In der zweite Phase (4320-4190BP, vor etwa 4390-4260 Jahren) zeigt die Mischung aus süß- und salzwasserliebenden Algenarten, dass der Salzgehalt des Sees wohl durch wechselhafte Niederschläge stark schwankte. Interessant ist der hohe Gehalt an Sporen von Dungpilzen. Diese Pilze wachsen nur auf den Exkrementen von größeren Wirbeltieren, demnach scheint der See stärker als zuvor eine wichtige Wasserquelle für Tiere aus der Umgebung gewesen zu sein - ein indirekter Hinweis auf zunehmende Trockenheit des Umlandes. Holzkohle deutet auf Brände in der Umgebung - ebenfalls Zeichen für Trockenheit.
In der dritten Phase (4190-4130BP, vor etwa 4260-4200 Jahren) wurde der See zum Moor. Der Wasserspiegel des Sees sank, er blieb jedoch feucht, wohl weil Wasser aus den umliegenden Bergen einsickerte. Der hohe Gehalt an Stickstoff, an Dungpilzsporen und andere Indikatoren zeigen, dass sich immer mehr Tiere am See versammelten, der aber durch ihre Exkremente stark überdüngt wurde. Die Überdüngung führte zum heftigen Algenwachstum, unter anderem von giftigen Blaualgen - das Wasser wurde also nicht nur weniger, sondern auch noch ungenießbar. In dieser Schicht finden sich die enorme Mengen an Knochen, es ist also die Zeit, in der die meisten Tiere umkamen. Während viele andere Vogelarten und Großtiere mobil genug waren, um in anderen Regionen von Mauritius nach Wasser zu suchen, waren die Schildkröten und flugunfähigen Dodos an den See gebunden. Der tödliche Cocktail aus Wassermangel, Giften, Platzmangel und zähem Sumpf wurde vielen zum Verhängnis.
Schließlich wurde die Mare aux Songes in der vierten und letzten Phase dieser Studie (4130-4110BP, vor etwa 4200-4180 Jahren) wieder zu einem Süßwassersee, wie Kieselalgen und andere Indikatoren zeigen. Die Austrocknugn und der tödliche Cocktail waren also nur ein vorübergehendes Phänomen, das wohl mit den weltweiten Veränderungen im Rahmen des 4,2-Kilojahr-Ereignisses verbunden gewesen sein dürfte.