Einer der größten historisch dokumentierten Vulkanausbrüche Europas war der Ausbruch der Laki-Spalte auf Island 1783/84, nach dem ein Dunstschleier über großen Teilen Europas und teils Nordamerika und Asien beobachtet wurde. Bisherige Temperaturrekonstruktionen aus Baumringen lieferten allerdings für den Sommer 1783 eher niedrige Werte, während historische Berichte von einem sehr heißen Sommer schreiben. Diese Diskrepanz könnte nun geklärt sein: Der durch Sulfataerosole saure Dunst dürfte das Wachstum der Bäume gestört haben, sodass die Daten der Baumringe für dieses Jahr kein guter Temperaturindikator sind, wie eine Arbeit von Julie Edwards et al. (2022) und ein Kommentar von Katrin Kleemann (2022) zeigen.
Der Laki-Ausbruch
Zwischen dem 8. Juni 1783 und dem 7. Februar 1784 brachen aus der 27 km langen Laki-Spalte, die zum Grímsvötn-Vulkansystem gehört, große Mengen Lava aus, die eine Fläche von 600 km² bedeckten - die zweitgrößte in historischer Zeit auf Island dokumentierte Lavamenge. Zudem setzte der Ausbruch erhebliche Mengen Gase frei, darunter etwa 120 Mio. Tonnen Schwefeldioxid (zum Vergleich: Alle deutschen Kohlekraftwerke stießen 1982 etwa 1,5 Mio. Tonnen aus) sowie 8 Mio. Tonnen Fluor. Der saure Nebel und die giftigen Ablagerungen zerstörten einen Großteil der Vegetation Islands; in den Hungersnöten starb etwa ein Fünftel der Bevölkerung Islands. Die Katastrophe ging als "Nebelhungersnot" (Móðuharðindin) in die Geschichte ein.
Schwefefeldioxid reagiert mit Wasser zu Schwefliger Säure und Schwefelsäure bzw. Sulfaten. Die Sulfataerosole hingen in weiten Teilen Europas etwa drei Monate lang als trockener, saurer, aggressiver Dunst in der Luft, der Atembeschwerden vor allem bei Asthmatikern auslöste. Berichte eines deutlichen Schwefelgeruchs sowie Schädigungen von Pflanzen sind interessanterweise auf England, die Niederlanden und Nordwestdeutschland am 24. und 25. Juni beschränkt; dort warfen Bäume die Blätter und Früchte ab und viele Pflanzen verdorrten, erholten sich jedoch generell wieder.
Hitzesommer in Europa
Aus ganz Nord-, West- und Mitteleuropa wurde ebenfalls ein auffälliger Dunst sowie ungewöhnlich warmes Wetter bis Anfang August beschrieben; auch frühe instrumentelle Aufzeichnungen von Amateuren und den professionellen Netzen mit insgesamt etwa 30 Wetterstationen aus ganz Europa zeigen für Westeuropa Temperaturen etwa 1° bis 3° über dem Mittel.
Demgegenüber ließen jedoch Klimarekonstruktionen, die auf der Analyse von Baumringdaten beruhen, vermuten, dass der Sommer 1783 eher kühl gewesen war. Dies wäre im Prinzip nicht ungewöhnlich, da große Vulkanausbrüche generell zu einer Abkühlung für einige Monate oder Jahre führen, doch die deutliche Diskrepanz zum historisch belegten Hitzesommer deutete auf methodische Probleme hin.
Baumringe als Klimaindikatoren
Temperaturrekonstruktionen aus Baumringen beruhen grundsätzlich darauf, dass Bäume je nach der Witterung jedes Jahr unterschiedlich wachsen; neben der Dicke der Wachstumsringe ist auch die Dichte des Holzes von Jahr zu Jahr verschieden. Aus langjährigen Messungen kennen wir für verschiedene Baumarten diese Zusammenhänge und können so aus einer alten Holzprobe Rückschlüsse auf das damalige Klima ziehen; für die Sommertemperaturen ist insbesondere die maximale Dichte des Spätholzes relevant, das am Ende des Wachstumsperiode im Spätsommer gebildet wird.
Edwards et al. haben nun Holzproben von Kiefern aus Sämtland (Schweden) einer genaueren Analyse unterzogen. Dabei fanden sie für 1783 nicht nur (wie bekannt) eine niedrige Spätholzdichte, sondern auch spezifische anatomische Veränderungen der Zellen, die auf eine direkte Schädigung durch den sauren Dunst hinweisen. Daher schließen die Autor*innen, dass die üblichen Korrelationen zwischen Spätholzdichte und Sommertemperaturen in diesem Falle nicht anwendbar sind, weil das Wachstum zu stark gestört war. Man kann also für dieses Jahr aus dem Baumringdaten keine zuverlässigen Temperaturdaten ableiten, und die "kühlen" Rekonstruktionen beruhen auf der fehlerhaften Annahme einer "normalen" Wachstumssituation.
Fazit
Diese Erkenntnisse, kommentiert Kleemann, zeigen den Wert interdisziplinärer Forschung in diesem Bereich. Außerdem sollten ähnliche Effekte bei anderen Vulkanausbrüchen, die mit erheblichen Schwefelemissionen verbunden waren, beachtet werden, insbesondere der Eldgjá-Eruption auf Island von 939-940 n.Chr., die aus einer 75 km langen Spalte etwa 220 Mio. Tonnen Schwefeldioxid freisetzte.
Was hat es nun aber mit dem heißen Sommern von 1783 auf sich? Einige zeitgenössische Quellen spekulierten tatsächlich über einen Zusammenhang zwischen der Hitze und dem Dunst. Doch unser heutiges Wissen über die Klimafolgen von Vulkanen lassen eher Abkühlungseffekte erwarten, und moderne Modellierungen (Zambri 2019a, 2019b) zeigen, dass der heiße Sommer nicht auf den Vulkan zurückzuführen ist und auf einer Wetterlage beruhte, die im Rahmen des üblichen lag; das Zusammenfallen eines heißen Sommers mit dem Vulkanausbruch dürfte demnach Zufall gewesen sein. Der darauf folgende Winter 1783/1784 wird in den historischen Quellen als extrem kalt beschrieben, und hier zeigt die Modellierung tatsächlich einen kühlenden Einfluss des Vulkans.
Quellen
- Edwards, Julie, Kevin J. Anchukaitis, Björn E. Gunnarson, Charlotte Pearson, Kristina Seftigen, Georg von Arx, und Hans W. Linderholm. „The Origin of Tree-Ring Reconstructed Summer Cooling in Northern Europe During the 18th Century Eruption of Laki“. Paleoceanography and Paleoclimatology 37, Nr. 2 (2022): e2021PA004386. https://doi.org/10.1029/2021PA004386.
- Kleemann, K. „Maximum Latewood Density Analysis Solves Long‐Standing Mystery between Temperature Reconstructions and Historical Records“. Paleoceanography and Paleoclimatology, 5. April 2022. https://doi.org/10.1029/2022PA004444.
- Zambri, Brian, Alan Robock, Michael J. Mills, und Anja Schmidt. „Modeling the 1783–1784 Laki Eruption in Iceland: 1. Aerosol Evolution and Global Stratospheric Circulation Impacts“. Journal of Geophysical Research: Atmospheres 124, Nr. 13 (16. Juli 2019): 6750–69. https://doi.org/10.1029/2018JD029553.
- Zambri, Brian, Alan Robock, Michael J. Mills, und Anja Schmidt. „Modeling the 1783–1784 Laki Eruption in Iceland: 2. Climate Impacts“. Journal of Geophysical Research: Atmospheres 124, Nr. 13 (2019): 6770–90. https://doi.org/10.1029/2018JD029554.